Gibt es eine agile Persönlichkeit?

Kürzlich sind wir über einen Artikel in der Wirtschaftspsychologie aktuell gestoßen: Er ging der Frage nach, ob es eine agile Persönlichkeit gibt. Wir können einige allgemeine Thesen des Artikels unterstreichen. Aber der, dass es sinnvoll ist, agile Teams ausschließlich mit Menschen mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zu besetzen, müssen wir hier einmal vehement widersprechen. Ein Team ist nämlich dann besonders gut, wenn es verschiedene Typen vereint, die sich ergänzen. Allerdings nur, wenn man es schafft, sie entsprechend ihrer Persönlichkeit zu motivieren und innerhalb des Teams gewinnbringend einzusetzen.

Agile Projektarbeit nimmt weiter zu

Immer mehr Unternehmen setzen agile Projektarbeit ein. Das bestätigt das New-Work-Barometer 2022, in dem fast 60 Prozent der insgesamt 581 deutschsprachigen Unternehmen beziehungsweise deren Vertreter:innen angeben, dass bei ihnen agile Projektarbeit eingesetzt wird (Schermuly & Meifert, 2022).

Und ja, agile Projektarbeit bedeutet, dass die agilen Teams in der Lage sein müssen, eigenverantwortlich zusammenzuarbeiten sowie anpassungsfähig und flexibel zu reagieren. Ein Satz im oben genannten Artikel hat uns allerdings besonders stutzig gemacht: „Intuitiv ist klar, dass das nicht zu jede:m passt.“ Diese „Intuition“ wird im Anschluss mit Studien gestützt:

  1. Mit dem Person-Organization-Fit, nach dem sich Menschen ein Arbeitsumfeld aussuchen, zu dem sie besonders gut passen: Introvertierte meiden Kundenkontakt eher, Neugierige entscheiden sich häufig für abwechslungsreiche Berufe.
  2. Mit einer explorativen Studie zu dem Big-5-Persönlichkeitsmodell, die zeigt, dass die Persönlichkeitsmerkmale „Extraversion“ und „Offenheit für neue Erfahrungen“ mit der Präferenz für agile Projektarbeit korrelieren (Bishop & Deokar, 2014).
  3. Und mit einer Untersuchung von Koch und Schermuly (2021), die herausarbeitet, dass sogenannte „Sensation Seeker“ mit dem Bedürfnis nach abwechslungsreichen neuen und komplexen Eindrücken, agile Organisationen attraktiver wahrnehmen als andere.

Das Fazit des Artikels: Einige Menschen sind geeigneter und offener für agile Methoden als andere. Unternehmen sollten dies bei der Auswahl der Teammitglieder beachten.

Agiles Arbeiten beinhaltet mehr als schnelle Anpassung

Wenn wir schon über eine agile Persönlichkeit sprechen, müssen wir noch einmal klären, was wir unter einer agilen Arbeitsweise überhaupt verstehen. Die meisten betonen, dass es darum geht, dynamisch auf Veränderungen einzugehen. Agile Teams sollen schnell in der Lage sein, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, um den Kurs zum Ziel anzupassen oder gar zu ändern.

Das ist auch richtig, aber nur ein Teil des Ganzen. Mit dem Fokus darauf, könnte es tatsächlich sinnvoll sein, agile Teams vor allem mit – nach unserer Typologie – klassischen Löwen zu besetzen: Sie scheuen keine Herausforderung, wenn sie durch ihre Bewältigung glänzen können, und gehen gerne ins Risiko. Für den Start und ein erstes Pilotteam mag das vielleicht sinnvoll sein, aber spätestens, wenn das Ganze skaliert werden soll (zum Beispiel nach SAFe) und immer mehr Abstimmungen mit anderen Abteilungen nötig werden, verliert dieser Typ schnell die Lust und ist nicht mehr die beste Wahl – jedenfalls nicht alleine.

Agiles Arbeiten ist komplexer als nur schnell zu reagieren und morgen über Bord zu werfen, was wir gestern gesagt haben. Deshalb braucht es auch ein breites Spektrum an Persönlichkeiten und die richtigen Rahmenbedingungen, in denen diese sich bewegen können. Persönlichkeiten, die auf diese Rahmenbedingungen achten und auf sie Wert legen sind daher genauso wichtig, wie Menschen, die bestehende Prozesse generell hinterfragen.

Selbstorganisierte Teams entstehen nur durch Empowerment

Vielleicht sollten wir auch noch einmal betonen, was das Ziel der agilen Arbeitsweise ist. Und zwar: selbstorganisierte, super effiziente, sich immer weiter selbst verbessernde Teams. Ein Traum also! Damit Mitarbeiter:innen tatsächlich möglichst unabhängig Entscheidungen treffen können, ohne lange auf Hierarchien einzelner Fachbereiche warten zu müssen, brauchen sie Empowerment, das heißt eine Macht- und Verantwortungsübertragung vom Management direkt an die Teams. Es ist also vorrangig keine Frage der Persönlichkeit, sondern vor allem der richtigen Struktur, die die einzelnen Persönlichkeiten miteinbezieht und empowert.

6 Bricks für eine erfolgreiche agile Transformation

Ein agiles Fundament, die richtige Rollenverteilung, Verhaltensänderungen, ein funktionierendes Backlogmanagement, die Synchronisation aller Schnittstellen und die sinnvolle Messung der Performanz – all diese sechs Bausteine, die es für eine erfolgreiche Implementierung der agilen Arbeitsweise in Unternehmen braucht, haben augenscheinlich ihre Verbündeten und Rivalen unter den Teammitgliedern.

Nehmen wir zum Beispiel das Zebra aus dem Büro-Zoo: Mit dem Gedanken an den geselligen, geschwätzigen und liebevollen Marty aus den Madagascar-Filmen können wir uns gut vorstellen, dass sich die Kolleginnen und Kollegen, zu dem dieser Tier-Typ am besten passt, über neue Teammitglieder freuen. Vor allem, wenn es sich um ein multifunktionales Team handelt und ihm ganz plötzlich neue Einblicke in andere Abteilungen und Bereiche geboten werden. Zebras sind prädestiniert dafür, gleich von Anfang an für Harmonie in neu entstandenen Teams zu sorgen und damit das agile Fundament zu stärken. Das nötige (Soft)-Skill-Set ist definitiv vorhanden. Jetzt kommt das große Aber: Für Zebras steht nichts über dem Team, daher sind sie sehr empfänglich für den Unmut der Kolleginnen und Kollegen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass dem Zebra etwas nicht passt, was den anderen nicht gefällt, und es sich gegen Veränderungen sträubt. Wer für das Team verantwortlich ist, ist daher gut beraten, selbst eine emotionale Bindung zu seinen Zebras aufzubauen, und bei Veränderungen und Aufgaben stets die Vorteile für alle Mitglieder zu betonen.

Verbündete oder Rivalen?

Hier geht es zu den 6 Bricks für nachhaltig erfolgreiche Change-Projekte

Gleich und Gleich gesellt sich gern

Wir neigen dazu, uns mit Menschen zu umgeben, die ähnlich ticken. Wer noch nicht weiß, welcher Spezies im Büro-Zoo er oder sie am ehesten entspricht, kann hier noch schnell den Test machen. Aber es ist weder sinnvoll, nur „Sensation Seeker“ in agilen Teams zu haben, noch einen ganzen Haufen Zebras. Um in jedem Baustein einen hohen Reifegrad zu erreichen, ist es wichtig, die Rollen und Aufgaben entsprechend der Persönlichkeit zu verteilen und die Teammitglieder unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse zu motivieren. Je diverser das Team, desto anspruchsvoller ist diese Herausforderung. Aber ein selbstorganisiertes, effizientes, sich ständig selbst verbesserndes und empowertes Team braucht Löwen, die den Change vorantreiben, gesellige Zebras, die das Netzwerk pflegen, genaue Kraniche, die für Struktur sorgen und Elefanten, die auf vorhandenes Know-how zurückgreifen können und das Rad nicht ständig neu erfinden müssen.

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In dem letzten Jahr hatte ich das Privileg, ein herausragendes Team bei ihrer agilen Transformation nach dem SAFe-Framework zu begleiten. Heute bin ich besonders stolz, denn mein Kunde hat nicht nur die Transformation erfolgreich gemeistert, sondern auch eine beeindruckende Erfolgsstory im eigenen Unternehmen veröffentlicht. Und das Beste: Ich darf diese Erfolgsgeschichte nun mit meinem Netzwerk teilen!

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