5 Ursachen, die agile Teams scheitern lassen

In der Theorie geben agile Teams genau die richtige Antwort auf eine Realität, die geprägt ist von Krisen und Wandel. Denn gut funktionierende selbstorganisierte und abteilungsübergreifende Teams sind in der Lage, schnell auf Veränderungen zu reagieren und selbstständig Entscheidungen zu treffen. In der Praxis beobachte ich allerdings häufig, dass Pilotteams, beispielsweise für die Einführung von Scrum-Prozessen, in den Unternehmen zwar erfolgreich waren, es aber beim Ausrollen plötzlich hakt. Daran liegt es:

1. Pilotteams sind nicht repräsentativ für das restliche Unternehmen

Leider wird oft angenommen, dass ein Pilotteam repräsentativ für den Rest des Unternehmens ist. In Wahrheit besteht es häufig aus hochmotivierten Teammitgliedern, die sich dafür freiwillig gemeldet haben. Leichtes Spiel für alle, die am Prozess beteiligt sind. Da ist es auch noch nicht so wichtig, ob die Rollen im Team sauber verteilt sind.

2. Die Rollenverteilung passt nicht

Wird die agile Arbeitsweise später breitflächig eingeführt, entscheidet die richtige Rollenbesetzung häufig über Erfolg und Misserfolg. Fehlbesetzungen führen schnell zu Frust, Überforderung und mangelnder Motivation, da klassische Hierarchien wegfallen. Stattdessen gibt es – wie die meisten sicher wissen – mehrere Rollen: den Product Owner, die Developer beziehungsweise die Teammitglieder und den Scrum Master. Letzterer ist meiner Meinung nach besonders entscheidend und leider auch besonders häufig fehlbesetzt oder bekommt nicht den nötigen Freiraum, seine Rolle wirklich auszufüllen. Gerade zu Beginn ist die Rolle des Scrum Masters ist eine Vollzeitstelle, um die Menschen dort abzuholen, wo sie sind, und sie durch den Change-Prozess zu begleiten, damit sie die Veränderung auch leben.

3. Die Bedeutung des Scrum Masters wird unterschätzt

In vielen klassischen Definitionen zur Rolle des Scrum Masters, verantwortet er das Rahmenwerk. Er hält dem Team den Rücken frei, trifft Rücksprachen mit dem Product Owner und übernimmt administrative Aufgaben. Er führt die Prozessregeln ein und prüft deren Einhaltung. Und hier endet bei manchen Projekten sein Aufgabenbereich. Das führt dann dazu, dass nach dem Ausrollen der Scrum Rituale und einer theoretischen Einführung das Team sozusagen allein gelassen wird. Es soll sich ja schließlich selbst organisieren. Ich habe häufig beobachtet, dass das zu folgenden Problemen führt:

1. Kolleg:innen fühlen sich nicht „enabled“ oder „empowered“, sondern schlicht überfordert. Die Vorteile der neuen agilen Arbeitsweise sind unklar und vor allem nicht spürbar. Ein Developer zum Beispiel sollte selbstwirksam Prozesse ohne Umwege verändern können und Probleme in multifunktionalen Teams mit großem Handlungsspielraum sofort lösen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, bedeutet das scheinbar nur Mehraufwand ohne sichtbaren Nutzen. Neue Rituale und Meetings fühlen sich wie eine zusätzliche Last an.

2. Hochmotivierte Kolleg:innen preschen los und erfinden ihre eigenen Prozesse. Da sie bisher nicht organisationsübergreifend gearbeitet haben, vergessen sie aber, den Rest des Teams abzuholen. Zu groß ist die Versuchung, schnelle Lösungen zu finden und sich damit selbst ins Rampenlicht zu stellen. Dadurch entsteht eine hohe Abhängigkeit von einzelnen Personen. Sind diese krank oder auch nur länger in Urlaub, fällt das Kartenhaus zusammen. Wird die agile Arbeitsweise gleich in mehreren Abteilungen ausgerollt, ohne die selbst geschaffenen Prozesse zu synchronisieren, ist eine spätere Skalierung schwer bis unmöglich, da an den selbst entwickelten Prozessen festgehalten wird.

4. Der Scrum Master hält dem Team nicht den Rücken frei

Es ist unvermeidlich, dass sich der Scrum Master mit anderen Teams abstimmt und auch während des Prozesses Schwierigkeiten aus dem Weg räumt. Dazu gehören mangelnde Kommunikation, Probleme bei der Zusammenarbeit oder persönliche Konflikte. Aber auch Störungen von außen muss er begegnen, damit das Team in Ruhe arbeiten kann – zum Beispiel, wenn die Fachabteilung ihren Mitgliedern zusätzliche Aufgaben zuteilt. Die Verantwortung des Scrum Masters ist es, sowohl Stakeholder als auch die Teammitglieder zu „erziehen“, den Fokus und das Commitment für die gesteckten Ziele nicht zu verlieren. Wenn nötig, ist er sogar verpflichtet, Eskalationen durch das Management einzuleiten.

5. Die Führungskompetenz fehlt

Klingt nach einer großen Führungsherausforderung? Genau das ist es auch! Die Hierarchien fallen zwar weg, trotzdem braucht gerade der Scrum Master ausgezeichnete Führungskompetenzen. Er ist eine dienende Führungskraft für das Entwicklungsteam. Er führt nicht disziplinarisch mit Anweisungen, sondern eher wie ein Coach, der die intrinsische Motivation fördert und Hürden aus dem Weg räumt.

Übernimmt eine disziplinarische Führungskraft, die in der sonstigen Unternehmenshierarchie über den Teammitgliedern steht, diese Aufgabe, kommt es immer wieder zu Problemen – wo wir wieder bei der richtigen Besetzung wären. Eine Führungskraft aus dem Unternehmen ist meist nur für einen Teil des Teams disziplinarisch verantwortlich. Denn die Idee von agilen, selbstorganisierten und empowerten Teams ist ja, dass sie multifunktional vertreten sind. Es herrscht mit Mitarbeiter:innen aus anderen Abteilungen ein Ungleichgewicht im Team. Die direkt unterstellten scheinen besser zu „hören“. Er soll aber eigentlich gar nicht per Anweisung führen oder die Mitglieder bewerten.

Unterschiedliche Umstände und Teams erfordern vom Scrum Master situatives Führen. Leider liegt der Fokus viel zu häufig auf den Prozessen, nicht auf den Menschen. Statt zu coachen und wirklich zu führen, wird nur die Theorie referiert, wie sie im besten Fall funktionieren soll. Aber jedes Team, jede Abteilung und jedes Unternehmen haben ihre eigenen Arbeitsweisen und ihre eigene Kultur. Einzelne Abteilungen und ihre Mitglieder sind in Sachen agilem Mindset weiter als andere.

Situatives Führen erfordert zwei Komponenten: aufgabenbezogenes Führen und menschenbezogenes Führen. Ersteres erfordert Delegationsgeschick, Letzteres ein tiefes Verständnis für die unterschiedlichen Persönlichkeiten. Menschen sind so unterschiedlich wie ihr Fingerabdruck. Um die Teammitglieder wirklich zu motivieren und zur Selbstorganisation zu befähigen, muss sich eine Führungskraft immer an sie anpassen. Sie braucht ein unglaubliches Kommunikationsgeschick. Nicht nur innerhalb der Teams, sondern allen Stakeholder im Unternehmen gegenüber.

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